Aktivitätsverzerrung (action bias)

Was ist eine Aktivitätsverzerrung?

Aktivitätsverzerrung (action bias) beschreibt den Umstand, dass Menschen lieber irgendetwas machen, anstatt nichts zu tun. Es ist ein Verhalten von Menschen in Situationen, in denen sie den Drang verspüren zu handeln, anstatt nicht zu handeln. Sie spüren einen Impuls zu handeln, um ein Gefühl der Kontrolle über die Situation zu erlangen. Diese Art der Verzerrung kommt im Alltag relativ häufig vor. 

Beispiele für die Aktivitätsverzerrung

Ein Beispiel für diese Aktivitätsverzerrung ist im Fußball zu finden, wenn der Torspieler bei einem Elfmeter sich entscheiden muss, wie er auf den Schuss reagiert. Die statistische Auswertung von Elfmetern im Fußball zeigt, dass über alle Spieler hinweg die Richtung des Schusses nach links, in die Mitte und nach rechts ziemlich ähnlich verteilt ist. Die Torspieler sollten daher ihre Reaktion auch ähnlich verteilen. Jedoch lässt sich dabei ablesen, dass kaum ein Torspieler in der Mitte stehen bleibt, sondern eher in eine der beiden Ecken springt. 

Ein anderes Beispiel zeigt sich häufig bei medizinischen Behandlungen, die eine Erkrankung heilen sollen, ohne dass es einen Nachweis gibt, dass die Behandlung wirksam wäre. Bei einer Auswahl an Behandlungsvarianten entscheiden sich Patienten bei unklaren Erfolgsaussichten eher für eine aktivitätsreichere Behandlung. Zum Beispiel nehmen sie eher Tabletten ein, als keine Tabletten einzunehmen und auf Selbstheilung zu setzen. Oder sie wählen eine Operation anstatt einer konservativen Behandlungsvariante. 

Erklärung und Hintergründe der Aktivitätsverzerrung

Die Aktivitätsverzerrung ist als Verzerrung in einem Gesamtbild mit einer Standardoption-Verzerrung und der Ist-Zustand-Verzerrung zu betrachten. Bei der Standardoption-Verzerrung und bei der Ist-Zustand-Verzerrung wird auf Inaktivität gesetzt, um die Situation nicht zu verändern. Bei der Aktivitätsverzerrung wird eher nach einer Handlungsalternative gesucht, um etwas zu tun, anstatt nichts zu tun. Die Gründe dafür können nach bisherigen Forschungserkenntnissen entweder im Gruppenverhalten, in den Charaktereigenschaften oder in der Lebenserfahrung gefunden werden. 

Beim Gruppenverhalten geht es um soziale Normen, also wie andere Menschen unser Verhalten bewerten und was sie von uns erwarten. Der Torspieler wird von anderen Mitspielern und Zuschauern bewertet. Eine Inaktivität würde eher negativ ausgelegt, zumindest im Vergleich zu einem Sprung auf eine der beiden Seiten. Die Anpassung an die soziale Norm wäre dementsprechend der Sprung auf eine Seite, auch wenn dies statistisch nicht die beste Option ist. 

Bei den Charaktereigenschaften geht es um übertrieben selbstbewusste Personen, die ihre eigenen Handlungsweisen überschätzen. Diese Übersteigerung führt dazu, dass Handlungen nicht möglichst objektiv bewertet werden. 

Die Lebenserfahrung basiert auf vorherigen Erlebnissen, die zu bestimmten Erinnerungen führten. Beispielsweise könnte der Torspieler sich an eine frühere Situation erinnern, in der er nicht reagierte und dafür von anderen kritisiert wurde. Zur Vermeidung dieser Kritik, an die er sich lebhaft erinnert, reagiert er nun in einer neuen Situation auf eine möglichst aktivitätsreiche Art und Weise. Dabei wird ignoriert, dass die neue Situation nicht mit der Kritik aus der Vergangenheit gelöst werden kann, sondern objektiv betrachtet sowohl mit einer aktivitätsreichen als auch mit einer aktivitätsarmen Handlung gelöst werden könnte. 

Wie überwinde ich eine Aktivitätsverzerrung?

Nach bisherigem Kenntnisstand gibt es eine erfolgsversprechende Lösung für die Aktivitätsverzerrung (action bias).

Auslöser für Handlungsdrang erkennen

Wenn Sie den Drang verspüren, auf eine Situation zu reagieren, können Sie kurz innehalten, um zu überlegen, was der Auslöser für Ihren Drang zu handeln ist. Möchten Sie eine Reaktion zeigen, weil Sie beobachtet werden oder glauben, dass andere von Ihnen Aktion sehen wollen? Wollen Sie vermeiden, dass Sie es bedauern würden, wenn Sie fälschlicherweise nicht sofort reagiert hätten? Sobald Sie sich die Mühe machen, zu überlegen, was der Auslöser ist, haben Sie bereits so viel Zeit mit der Sache verbracht, dass Sie in eine rationale Entscheidungsfindung geraten. Diesen Umstand können Sie zugleich nutzen, um die rationalen Argumente zu überlegen.