Behavioral Data Science in Unternehmen und Organisationen

Verhaltensdatenanalyse verbindet Wissen über das Verhalten mit den Kompetenzen der Datenanalyse

Wert der Verhaltensdatenanalyse für ein Unternehmen hängt von der Einzigartigkeit der Erkenntnisse im Wettbewerb ab

Behavioral Data Science beziehungsweise Verhaltensdatenanalyse erfreut sich immer größerer Beliebtheit, da es die Kernkompetenzen der Datenanalyse mit dem spezifischen Wissen der Verhaltenswissenschaften (Behavioral Science) über menschliches Verhalten verbindet. Der entscheidende Unterschied zwischen einer Datenanalyse beliebiger Daten, beispielsweise dem häufig angewandten Fall (Use Case) der vorausschauenden Instandhaltung (predictive maintenance) von Maschinen, und Verhaltensdaten (behavioral data) liegt darin, dass Verhaltensausprägungen und Motive nur mittelbar erfasst werden können.

Somit benötigt man im Bereich Behavioral Data Science ein sehr präzises Wissen über die konkreten Ausprägungen der einzelnen Datenpunkte, beispielsweise von Items in einer qualitativen Studie oder dem Klickverhalten in einer App. Die Unterschiedlichkeit von Menschen und die umfangreichen Handlungsmöglichkeiten führen dazu, dass identisch aussehende Datenpunkte im Kontext der Handlung unterschiedliche Bedeutungen annehmen können. Genau hier kommt das Wissen aus der Verhaltenswissenschaft (Behavioral Science) ins Spiel, um diese Unterschiedlichkeit zu verstehen und interpretieren zu können.

Der Wert von Behavioral Data Science steigt exponentiell mit den Handlungsmöglichkeiten, die aus den Erkenntnissen (Behavioral Insights) entstehen. Während im Privatleben die Analyse zwar von persönlichem Interesse sein kann, ist bei Organisationen durch die Auswertung der Erkenntnisse das potenzielle Handlungsspektrum deutlich größer.

Die entscheidende Frage für die Akteure in einem Unternehmen oder einer Organisation lautet daher:

Lohnt sich Behavioral Data Science als Kompetenz für meine Organisation?

Sollte Ihre Organisation Behavioral Data Science nutzen?

Der Aufbau einer Kompetenz im Bereich Verhaltensdatenanalyse (Behavioral Data Science) erfordert sowohl Expertenwissen im Bereich Verhaltenswissenschaften (Behavioral Sciences) als auch Expertenwissen im Bereich Datenanalyse (Data Science) und zudem den Aufbau von technischen Umgebungen für Verhaltensdaten (behavioral data). 

Eine Organisation hat daher verschiedene Herausforderungen zu bedenken:

  1. Daten für Verhalten müssen mit spezifisch gestalteten Informationen gespeichert und zur Verfügung gestellt werden
  2. Kompetenzen im Bereich Verhaltenswissenschaft müssen die Brücke zwischen akademischen Erkenntnissen und Methodenwissen hin zur unternehmerischen Nützlichkeit schlagen
  3. Kompetenzen in der Datenanalyse von Verhaltensdaten müssen die Einzigartigkeit von Verhaltensausprägungen im Kontext der Handlung berücksichtigen können, sodass ein Wissen aus der Verhaltenswissenschaft und der Datenanalyse in einem hohen Maß vorhanden sein muss

Bevor sich eine Organisation diesen drei Herausforderungen stellt, gilt es, die grundsätzliche Frage zu beantworten: Sollte Ihre Organisation Behavioral Data Science nutzen? Aus Organisationsperspektive ist dies eine Abwägung zwischen Nutzen und Kosten. Daher soll das nachfolgende Framework eine Hilfestellung bieten, um diese Frage zu beantworten. 

1. Mehrwert quantifizieren

Es ist wichtig, den potenziellen Mehrwert der Erkenntnisse aus Kundendaten (Behavioral Insights) zu quantifizieren. 

Kostenfaktoren

  • Erhebung von Verhaltensdaten aus Studien
  • technische Systeme für digitale Erfassung von Verhaltensdaten in echten Produkten oder Prozessen
  • Technik zur Verarbeitung der Daten
  • Ressourcen zur Auswertung der Daten

mögliche Nutzenfaktoren

  • Innovationen
  • Produktverbesserungen
  • Vertriebsaktivitäten
  • Einzigartigkeit (USP) im Wettbewerb
  • Kundenzufriedenheit 

Hier gilt es, die optimale Wirkung zu evaluieren, die Behavioral Data Science für eine Organisation bieten kann. Erfahrungsgemäß werden verschiedene Anwendungsfälle (Use Cases) in ähnlichen Organisationsbereichen kombiniert, um die technischen Grundlagen rascher zu amortisieren. Klassische Kombinationen sind Vertriebsaktivitäten und Produktverbesserungen oder auch Innovationen und Einzigartigkeit im Wettbewerb.

2. Relevanz der Verhaltenserkenntnisse (Behavioral Insights) im Zeitverlauf

Falls eine anfängliche Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Anwendungsfälle (Use Cases) positiv ausgefallen ist, sodass das Potenzial des Mehrwerts als hoch genug eingeschätzt werden kann, gilt es zu überlegen, ob diese Vorteile auch in Zukunft bestehen bleiben. Kundendaten, Verhaltensausprägungen oder Verhalten in einem bestimmten Kontext können „veralten“, indem sich die Gegebenheiten verändern.

Beispielsweise kann ein Produkt neue Bestandteile haben, sodass eine Reaktion auf den Umgang mit dem Produkt anders ausfallen würde. Daher wäre eine qualitative Studie mit einer älteren Produktgeneration nicht mehr ausreichend informativ genug, um aus den damals gewonnenen Erkenntnissen (Behavioral Insights) noch auf jetzige Situationen zu schließen.

Selbst bei gleichgebliebenen Produkten oder Prozessen kann sich die Zielgruppe (beispielsweise auch Segment) in der Zusammensetzung ändern. Wenn ein Produkt üblicherweise innerhalb einer bestimmten Altersgruppe genutzt wird, kann die unterschiedliche Sozialisierung im Laufe der Zeit dazu führen, dass nachfolgende Zielgruppen anders auf das Produkt reagieren. Ein häufiges Beispiel für diesen Umstand sind Produkte für Menschen im Rentenalter, die vor Jahrzehnten eher wenig technikaffin waren und heutzutage auch privat Smartphones, Apps oder digitale Dienstleistungen nutzen, weil sie es in den vergangenen Jahrzehnten vor dem Rentenalter im Berufsleben oder Privatleben so kennengelernt hatten. Die Produkte oder Prozesse werden von digitalaffinen Menschen anders erfasst als von ihren Vorgängergruppen, die anders sozialisiert waren.

Es ist daher wichtig zu erkennen, dass Verhaltenserkenntnisse (Behavioral Insights) eine gewisse Gültigkeit haben, die sich jedoch auch wieder verringern kann. Deswegen ist eine kontinuierliche Fortsetzung der Erkenntnisgenerierung essenziell.

3. Einzigartigkeit Ihrer Verhaltenserkenntnisse (Behavioral Insights)

Falls eine Organisation im Wettbewerb mit anderen steht, ist es wichtig, die Wettbewerbssituation in Bezug auf Verhaltenserkenntnisse (Behavioral Insights) zu evaluieren. Während Wettbewerber eventuell ebenfalls Kompetenzen im Bereich Behavioral Data Science aufbauen könnten, unterscheidet sich die Situation von Ihrer Organisation deutlich, denn die gesammelten Verhaltensdaten sind einzigartig. Nur Ihre Organisation kann diese Daten in dieser Form sammeln – andere Organisationen können nur ähnliche, aber nie identische Daten vorliegen haben.

Vorsprung durch Verhaltensdaten

Es stellt sich also die Frage: Können Innovationen oder Vertriebsaktivitäten (als Beispiele für Nutzenfaktoren) von Wettbewerbern ohne Datenzugang kopiert werden? Ist es möglich, nur die Innovation zu kopieren, ohne die zugrundeliegenden Datenerkenntnisse zu haben? 

Lernzyklus des Wettbewerbs

Können Wettbewerber selbst Verhaltensdaten in gleichem Umfang sammeln und innovative Lösungen entwickeln, während Ihre Organisation an der Verbesserung arbeitet? Kann der Wettbewerber durch einen schnelleren Lernzyklus Ihre Geschwindigkeit überbieten und somit selbst die Einzigartigkeit der Erkenntnisse übertreffen? 

Qualität der Verhaltenserkenntnisse

Ist die Erkenntnis so gut, dass sie besser als ein Kreativprozess mit erfolgreichem Zufallstreffer bei der Innovation ist? Viele Innovationen arbeiten ohne Verhaltensdaten als Grundlage, weil noch keine existieren oder ein Kreativteam an eine Lösung glaubt, die sich am Markt als erfolgreich herausstellt (z.B. die Erfindung des Automobils). Welchen Beitrag können Verhaltensdaten und die Analyse leisten, um besser als eine expertengeleitete Veränderung zu sein? 

Fazit

  1. Mehrwert der Kompetenz in Behavioral Data Science kann über Anwendungsfälle quantifiziert werden
  2. Behavioral Data Science kann ein Wettbewerbsvorteil werden
  3. Erkenntnisse (Behavioral Insights) müssen stets aktuell gehalten werden, um die Vorteile dauerhaft zu erzielen