Vorausschauverzerrung (projection bias)

Was ist eine Vorausschauverzerrung?

Vorausschauverzerrung (projection bias) beschreibt ein Verhalten, dass Menschen glauben, dass ihre eigenen Vorlieben und Entscheidungen in der Zukunft die gleichen wie jetzt seien. Menschen verändern sich im Laufe ihres Lebens, jedoch führt die Vorausschauverzerrung dazu, dass diese Veränderung im Verhalten nicht integriert wird. Diese Art der Verzerrung kommt im Alltag sehr häufig vor.

Beispiele für die Vorausschauverzerrung

Ein Beispiel für die Vorausschauverzerrung ist der Neujahrsvorsatz, den sich viele Menschen zum Jahreswechsel setzen. Beispielsweise nehmen sich Menschen gerade nach den Feiertagen zum Start des neuen Jahres vor, regelmäßig ein Fitnessstudio aufzusuchen und dort häufig zu trainieren. Deswegen verzeichnen Fitnessstudios im Januar einen großen Anstieg an Neuverträgen mit Kunden, die jedoch sehr oft nur wenige Male ins Fitnessstudio gehen und dann ihren Vertrag zwar weiter bezahlen, aber nicht mehr nutzen. Die Vorausschauverzerrung erklärt dieses Verhalten, denn Menschen glauben, dass sie ihre Neujahrsvorsätze auch für längere Zeit umsetzen. Sie ignorieren dabei, dass sich ihre Vorlieben für verschiedene Aktivitäten sehr rasch wieder ändern. Andere Aktivitäten werden schon nach nur wenigen Wochen wieder bevorzugt, obwohl sie zu Beginn des Jahres dachten, dem wäre nicht so. Wenn sie die Vorausschauverzerrung berücksichtigen würden, kämen sie beispielsweise auf die Idee, dass sie den Neujahrsvorsatz auch mit einer Verhaltensänderung kombinieren müssten. Die Verhaltenswissenschaften liefern dafür gute Beispiele wie Zielsetzungen, die mit Umsetzungsplänen verbunden werden. Dies macht es einfacher, das Verhalten tatsächlich zu verändern und berücksichtigt die Vorausschauverzerrung.

Erklärung und Hintergründe der Vorausschauverzerrung

Die Vorausschauverzerrung steht in der Wechselwirkung mit vielen anderen Verzerrungen. Beispielsweise mit der Optimismusverzerrung, wonach Berufstätige viel stärker daran glauben, dass sie eine Beförderung oder eine Gehaltserhöhung erhalten werden. Durch die Vorausschauverzerrung kommt es zu einer Wechselwirkung, weil sie nicht nur glauben, dass dieses Ereignis eintritt, sondern auch noch ignorieren, dass neben dem beruflichen Fortschritt in Zukunft andere Faktoren wichtig sein könnten, wie beispielsweise mehr Freizeit oder eine andere Art der Arbeitsgestaltung. Ein anderes Beispiel lässt sich bei der Streuungsverzerrung finden, wenn Menschen auf einen Schlag größere Mengen einkaufen. Wegen der Streuungsverzerrung kaufen sie zahlreiche Varianten, um möglichst viel Wahlfreiheit zu behalten. Die Wechselwirkung mit der Vorausschauverzerrung führt dazu, dass sie ihre zukünftigen Vorlieben für eine bestimmte Variante nicht richtig einschätzen. Beispielsweise kaufen sie zahlreiche Sorten Schokolade ein und vergessen dabei, dass sei ein paar Wochen später einen anderen Geschmack bevorzugen könnten. 

Diese Verzerrung ist ein Beispiel für einen Denkfehler. Hier werden verschiedene Einflussfaktoren nicht berücksichtigt, die zukünftige Entscheidungen beeinflussen werden. Dadurch entsteht eine falsche Ausgangsentscheidung, die nicht gut genug auf die zukünftigen Situationen eingeht. 

Leseliste:

  • Acland, D., & Levy, M. R. (2015). Naiveté, Projection Bias, and Habit Formation in Gym Attendance. Management Science, 61(1), 146–160.
  • Conlin, M., O’Donoghue, T., & Vogelsang, T. J. (2007). Projection Bias in Catalog Orders. American Economic Review, 97(4), 1217–1249. 
  • Grable, J., Lytton, R., & O’Neill, B. (2004). Projection Bias and Financial Risk Tolerance. Journal of Behavioral Finance, 5(3), 142–147.
  • Loewenstein, G., O’Donoghue, T., & Rabin, M. (2003). Projection Bias in Predicting Future Utility. The Quarterly Journal of Economics, 118(4), 1209–1248.