Teil 2: Der wahre Beweggrund für Spenden

Behavioral Economics leicht verständlich: Teil 2

 

In Innenstädten, vor Supermärkten oder auch vor der eigenen Haustüre begegnet man gelegentlich Spendensammlern, die für verschiedene Organisationen monetäre Spenden einsammeln möchten. Manche davon sind erfolgreicher darin, die potenziellen Spender anzusprechen und sie zum Spenden zu animieren. Doch woran liegt das?

 

Wissenschaftlicher Hintergrund

Genau diese Frage ist Bestandteil der Forschung von Professorin Nichola Raihani am University College London. Sie erforscht die evolutionären Grundlagen des scheinbar selbstlosen Verhaltens des Spendens. Die bisherigen Veröffentlichungen weisen darauf hin, dass Partnerwahl und Konkurrenz bei der Partnerwahl eine gewichtige Rolle spielen. Normalerweise sind die Erklärungen für sogenanntes prosoziales Verhalten (also anderen zu helfen), dass man Verwandten hilft, dass man gegenseitige Hilfe als Gegenleistung erwartet oder dass eine Bestrafung jeglicher Art für unterlassene Hilfeleistungen zu befürchten hat. Diese drei Erklärungen passen aber nicht so recht auf das Spendeverhalten.

Raihani entwickelte eine andere Erklärung für das Spendeverhalten, welche sie als Reputation beschreibt. Eine gute Reputation führt zu einer größeren Chance, dass man bei der Partnerwahl nicht leer ausgeht. Die Evolutionsforschung im Bereich der Biologie und der Psychologie fand heraus, dass Wohlstand und Hilfsbereitschaft sehr begehrte Eigenschaften für Frauen bei Männern sind. Umgekehrt sind Attraktivität und Fruchtbarkeit interessante Eigenschaften für Männer bei Frauen.

Die Schlussfolgerung lautet, dass für Männer die Chancen bei der Partnerwahl steigen, wenn Frauen bei ihnen Hilfsbereitschaft erkennen können. Genau das hat Raihani auch in ihrer Studie herausgefunden. Sobald Männer sahen, dass andere Männer eine großzügige Spende machten, spendeten sie einen noch höheren Betrag, um andere zu übertreffen. Interessanterweise besteht diese Art von Konkurrenzverhalten bei Frauen nicht ansatzweise. Bei Männern übrigens auch nur, falls die Spendenaktion im Zusammenhang mit einer attraktiven Frau stand.

Raihani, N. J., & Smith, S. (2015). Competitive helping in online giving. Current Biology, 25(9), 1183-1186.

 

Praktischer Nutzen

Um Menschen zum Spenden zu animieren, müssen deren Motive angesprochen werden. Die Evolutionsforschung deutet darauf hin, dass bei Männern die Hilfsbereitschaft umso größer ist, je offensichtlicher die Konkurrenzsituation ist. Da die Spendenbereitschaft deutlich ansteigt, sobald die Spendensammlerin oder die Werbefigur eine attraktive Frau ist, sollte dies berücksichtigt werden.

Häufig ist genau dies schon bei den Spendensammlern in der Innenstadt zu beobachten. Diese Personen sind häufig gut gelaunte, junge und freundliche Menschen, die auf andere Menschen extrovertiert zugehen.

Die Konkurrenzsituation kann aber auch weniger plakativ ausgenutzt werden, sondern auch auf eine etwas distanziertere Art. Bei den Spendenaufrufen im Fernsehen zur Weihnachtszeit ist öfter ein Banner mit Spendernamen zu sehen. Auch dies gilt als öffentliche Darstellung der Hilfsbereitschaft.

Im Bereich der Sozialpsychologie werden Menschen auch als soziale Wesen beschrieben. Ausgehend von diesem Gedanken kann man die Hilfsbereitschaft von Menschen auch jenseits der Partnerwahl betrachten. Eine öffentlich wahrgenommene Hilfsbereitschaft steigert die Beliebtheit der Person, sodass diese in ihrer sozialen Umgebung positiver wahrgenommen wird. Menschen mögen es, wenn andere eine gute Meinung über sie haben.

Die praktische Umsetzung für Spendensammler lautet also, dass sie eine öffentliche Wahrnehmung der Spendensituation herstellen müssen, um Menschen zum Spenden zu animieren. Es ist eher unwahrscheinlich, dass ein Spendensammler in einer dunklen Ecke ohne umherstehende Beobachter eine Spende bekommt. In einer großzügig einsehbaren Umgebung ist es umso wahrscheinlicher, dass jemand hilfsbereit ist. Ebenso hilft es, Menschengruppen anzusprechen, da hier die Spende von den anderen direkt beobachtet wird.